Unser Ausflug in die Palästinensergebiete führt uns nach
Ramallah im Westjordanland. Man erklärt uns vor Ort, dass Ramallah nicht die "generelle Situation" in Palästina widerspiegeln könnte, da das Leben in dieser Stadt eine
positive Ausnahme zum Leben im restlichen Westjordanland darstelle - Ramallah sei wie eine Blase. Nachdem
wir, zu unserer Überraschung ohne Passkontrolle, den Checkpoint zum
Westjordanland und somit die Grenzanlagen überwunden haben, bekommen wir zum
ersten Mal einen Einblick in die Stadt. Die Umstände gleichen eher einem
Entwicklungs-, als einem Industrieland, in den Straßen sammelt sich der
Müll. Auf den zweiten Blick jedoch sieht man, dass überall gebaut wird und die
Stadt sich immer weiter wiederaufbaut und sich zwischen den Kleinwagen nicht selten ein Mercedes oder BMW seinen Weg durch Straßen bahnt.
Unser erstes Treffen in Ramallah hatten wir mit Mahmoud
Labdi, dem Medienbeauftragten für Internationale Beziehungen der Fatah. Unter
den Augen von Jassir Arafat und Mahmut Abbas, deren Porträts die Wände des
Fatah-Büros schmückten, stellt er uns seine Sicht auf den Konflikt vor. Er
beschreibt die aktuelle Lage als sehr negativ und sagt, dass er keinen Ausweg daraus sieht, da die
israelische Regierung der „neuen Rechten“ durch Expansionsstreben zu keinerlei
Zugeständnissen bereit sei. Er spricht über jedes Thema mit dem Feindbild
Israel im Hintergrund. Seine Rhetorik ist viel mehr auf Konfrontation angelegt, als auf Kompromiss, so scheint es. So sieht er etwa den Irankonflikt als reine Ablenkung der israelischen
Seite, um die Probleme der Besatzung herunterzuspielen und ist der Meinung,
dass der Iran durch sein Verhalten die Situation der Palästinenser
verschlechtert. Er spricht auch sehr kritisvh über die Streitigkeiten innerhalb der Palästinenser zwischen
Hamas und Fatah - dadurch, so Labdi, profitierten nämlich die Israelis . Auf Nachfrage jedoch gibt er zu, dass es durchaus auch einige
Palästinenser gebe, die etwas gegen eine Versöhnung der beiden stärksten Kräfte hätten, da
auch sie durch den aktuellen Konflikt profitierten. Damit erklärt er auch die Spaltung
innerhalb der Hamas, die die Verhandlungen zum Stocken gebracht habe, so dass er
keinerlei Angabe zu möglichen Neuwahlen machen könne. Die aktuelle Strategie der PLO, gewaltfreien Widerstand zu
leisten, so sagt er, sei alternativlos, da die Palästinenser keine
militärisch-starken Verbündeten hinter sich hätten, um eine kriegerische
Auseinandersetzung gewinnen zu können und auch der Terror der zweiten Intifada
den Palästinensern keinerlei Verbesserung gebracht habe. Die neue Taktik setze
auf Demonstrationen, um von innen heraus Druck auszuüben und auf internationale
Aktivitäten (UN-Aufnahme, usw.), um den Druck von außen zu erhöhen. Das Ziel
der neuen Strategie sei es, Israel durch internationalen Druck zu Zugeständnissen
zu bewegen. Hierzu fordere man von Deutschland, dass die, von den
Palästinensern nachvollziehbare Solidarität mit den Israelis nicht auf Kosten
der eigenen Rechte geht.
Anschließend fahren wir zum Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah,
um mit Lama Hourani über den Konflikt und ihre Arbeit zu
diskutieren. Sie ist Program Coordinator für das "democracy & reform, foreign relations & dialogue program" und selbst Palästinenserin. Sie schildert uns, dass sie zwar versuchen in den Feldern
Menschenrechte, Gleichstellung von Mann und Frau, Demokratie und
Außenbeziehungen mit verschiedenen NGOs, Akademikern und der Jugend zusammen zu
arbeiten, diese Themen jedoch immer, wie jeder einzelne Aspekt des Lebens im
Westjordanland, von der Besatzung überlagert würden. So, sagte Hourani, könne es kaum zu einer effektiven
Zusammenarbeit mit den israelischen Kollegen kommen, um etwa Kontakt oder
Annäherung zwischen palästinensischen und israelischen Jugendlichen
herzustellen. Darum versuchten sie vor allem, die politische Stimmung zu
erforschen und diese und die Probleme der Bevölkerung durch Vorträge in Brüssel
und in Berlin auf die politische Agenda zu setzen. Außerdem arbeiteten sie gerade daran, einen
Vorschlag für eine gemeinsame Strategie einer vereinten Regierung der
Palästinenser auszuarbeiten. Auch schildert sie uns einige der
Probleme, die die Besatzung hervorbringt. So gäbe es Städte, welche komplett von einer
Mauer umgeben seien, die nur ein Tor am Stadteingang besitzen, welches von
israelischen Soldaten kontrolliert werde. Die ökonomische Situation der Palästinenser
sei fatal, die komplette Wirtschaft abhängig von den Israelis. Die
Palästinenser könnten ohne internationale Hilfe nicht überleben. Als
schlimmstes Beispiel für die Besetzung beschreibt sie die Situation in Hebron,
wo die junge Generation seit ihrer Geburt ständig den Kontrollen der
israelischen Soldaten ausgesetzt und sich nicht frei bewegen könne. In dieser Generation, so machte Hourani deutlich, sieht sie
"nur Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung". Einen möglichen Ausbruch eines neuen Aufstandes könnte man
nie vorhersehen und sie selbt befürchte manchmal, dass es nicht mehr lange dauert, bis diese „verlorene Jugend“ erneut rebelliere. Sie problemaitisierte auch, dass viele - vor allem in der westlichen Welt - erwarten würden, dass ein solcher Aufstand friedlich
verlaufe. Die Jugend habe durch die Besetzung zu viel Demütigung erfahren,
als dass sich diese nicht in Hass und Gewalt entladen werde.
Die Reise in die palästinensischen Gebiete war ein
essenzieller und interessanter Bestandteil unseres Programms, obwohl wir vor
Ort nicht viel Zeit hatten. Aufschluss für eine mögliche Lösung des Konfliktes
haben uns unsere Gespräche zwar leider nicht geben können. Auch konnte man leicht den Eindruck gewinnen, die Situation sei aussichtslos. Trotzdem hat diese Reise uns die Möglichkeit gegeben, Israel auch von der anderen Seite zu sehen.
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