Samstag, 3. März 2012

Gespräche in Ramallah


Unser Ausflug in die Palästinensergebiete führt uns nach Ramallah im Westjordanland. Man erklärt uns vor Ort, dass Ramallah nicht die "generelle Situation" in Palästina  widerspiegeln könnte, da das Leben in dieser Stadt eine positive Ausnahme zum Leben im restlichen Westjordanland darstelle - Ramallah sei wie eine Blase. Nachdem wir, zu unserer Überraschung ohne Passkontrolle, den Checkpoint zum Westjordanland und somit die Grenzanlagen überwunden haben, bekommen wir zum ersten Mal einen Einblick in die Stadt. Die Umstände gleichen eher einem Entwicklungs-, als einem Industrieland, in den Straßen sammelt sich der Müll. Auf den zweiten Blick jedoch sieht man, dass überall gebaut wird und die Stadt sich immer weiter wiederaufbaut und sich zwischen den Kleinwagen nicht selten ein Mercedes oder BMW seinen Weg durch Straßen bahnt.

Unser erstes Treffen in Ramallah hatten wir mit Mahmoud Labdi, dem Medienbeauftragten für Internationale Beziehungen der Fatah. Unter den Augen von Jassir Arafat und Mahmut Abbas, deren Porträts die Wände des Fatah-Büros schmückten, stellt er uns seine Sicht auf den Konflikt vor. Er beschreibt die aktuelle Lage als sehr negativ und sagt, dass er keinen Ausweg daraus sieht, da die israelische Regierung der „neuen Rechten“ durch Expansionsstreben zu keinerlei Zugeständnissen bereit sei. Er spricht über jedes Thema mit dem Feindbild Israel im Hintergrund. Seine Rhetorik ist viel mehr auf Konfrontation angelegt, als auf Kompromiss, so scheint es. So sieht er etwa den Irankonflikt als reine Ablenkung der israelischen Seite, um die Probleme der Besatzung herunterzuspielen und ist der Meinung, dass der Iran durch sein Verhalten die Situation der Palästinenser verschlechtert. Er spricht auch sehr kritisvh über die Streitigkeiten innerhalb der Palästinenser zwischen Hamas und Fatah - dadurch, so Labdi,  profitierten nämlich die Israelis . Auf Nachfrage jedoch gibt er zu, dass es durchaus auch einige Palästinenser gebe, die etwas gegen eine Versöhnung der beiden stärksten Kräfte hätten, da auch sie durch den aktuellen Konflikt profitierten. Damit erklärt er auch die Spaltung innerhalb der Hamas, die die Verhandlungen zum Stocken gebracht habe, so dass er keinerlei Angabe zu möglichen Neuwahlen machen könne. Die aktuelle Strategie der PLO, gewaltfreien Widerstand zu leisten, so sagt er, sei alternativlos, da die Palästinenser keine militärisch-starken Verbündeten hinter sich hätten, um eine kriegerische Auseinandersetzung gewinnen zu können und auch der Terror der zweiten Intifada den Palästinensern keinerlei Verbesserung gebracht habe. Die neue Taktik setze auf Demonstrationen, um von innen heraus Druck auszuüben und auf internationale Aktivitäten (UN-Aufnahme, usw.), um den Druck von außen zu erhöhen. Das Ziel der neuen Strategie sei es, Israel durch internationalen Druck zu Zugeständnissen zu bewegen. Hierzu fordere man von Deutschland, dass die, von den Palästinensern nachvollziehbare Solidarität mit den Israelis nicht auf Kosten der eigenen Rechte geht.

Anschließend fahren wir zum Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah, um mit Lama Hourani über den Konflikt und ihre Arbeit zu diskutieren. Sie ist Program Coordinator für das "democracy & reform, foreign relations & dialogue program" und selbst Palästinenserin. Sie schildert uns, dass sie zwar versuchen in den Feldern Menschenrechte, Gleichstellung von Mann und Frau, Demokratie und Außenbeziehungen mit verschiedenen NGOs, Akademikern und der Jugend zusammen zu arbeiten, diese Themen jedoch immer, wie jeder einzelne Aspekt des Lebens im Westjordanland, von der Besatzung überlagert würden. So, sagte Hourani, könne es kaum zu einer effektiven Zusammenarbeit mit den israelischen Kollegen kommen, um etwa Kontakt oder Annäherung zwischen palästinensischen und israelischen Jugendlichen herzustellen. Darum versuchten sie vor allem, die politische Stimmung zu erforschen und diese und die Probleme der Bevölkerung durch Vorträge in Brüssel und in Berlin auf die politische Agenda zu setzen. Außerdem arbeiteten sie gerade daran, einen Vorschlag für eine gemeinsame Strategie einer vereinten Regierung der Palästinenser auszuarbeiten. Auch schildert sie uns einige der Probleme, die die Besatzung hervorbringt. So gäbe es Städte, welche komplett von einer Mauer umgeben seien, die nur ein Tor am Stadteingang besitzen, welches von israelischen Soldaten kontrolliert werde. Die ökonomische Situation der Palästinenser sei fatal, die komplette Wirtschaft abhängig von den Israelis. Die Palästinenser könnten ohne internationale Hilfe nicht überleben. Als schlimmstes Beispiel für die Besetzung beschreibt sie die Situation in Hebron, wo die junge Generation seit ihrer Geburt ständig den Kontrollen der israelischen Soldaten ausgesetzt und sich nicht frei bewegen könne. In dieser Generation, so machte Hourani deutlich, sieht sie "nur Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung". Einen möglichen Ausbruch eines neuen Aufstandes könnte man nie vorhersehen und sie selbt befürchte manchmal, dass es nicht mehr lange dauert, bis diese „verlorene Jugend“ erneut rebelliere. Sie problemaitisierte auch, dass viele - vor allem in der westlichen Welt - erwarten würden, dass ein solcher Aufstand friedlich verlaufe. Die Jugend habe durch die Besetzung zu viel Demütigung erfahren, als dass sich diese nicht in Hass und Gewalt entladen werde.

Die Reise in die palästinensischen Gebiete war ein essenzieller und interessanter Bestandteil unseres Programms, obwohl wir vor Ort nicht viel Zeit hatten. Aufschluss für eine mögliche Lösung des Konfliktes haben uns unsere Gespräche zwar leider nicht geben können. Auch konnte man leicht den Eindruck gewinnen, die Situation sei aussichtslos. Trotzdem hat diese Reise uns die Möglichkeit gegeben, Israel auch von der anderen Seite zu sehen.

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