Die
Tatsache, dass uns Jerusalem trotz strömendem Regen, Wind und ungastlichen 5
Grad in seinen Bann gezogen hat, spricht wohl für sich. Gedanklich noch immer
mit Eindrücken aus Ramallah beschäftigt, kamen wir wieder in Jerusalem an. Da
wir noch etwas freie Zeit zur Verfügung hatten bevor wir unseren Guide Jonathan
treffen sollten, konnten wir in kleinen Gruppen vom Damaskustor aus in Souk
gehen, uns treiben lassen, zu Mittag essen und einfach die Umgebung
auf uns wirken lassen. Vom Schabbat, der noch in vollem Gange war, war hier
nichts zu spüren. Überall standen und liefen Menschen herum, wurden Waren
angepriesen, begutachtet und gehandelt, zwischendurch immer mal wieder die
mittlerweile so vertraute Sicht von Soldaten mit Maschinengewehren.
Um 14.00
trudelten alle wieder wohlbehalten und gestärkt am Damaskustor ein. Die Gruppe
wurde geteilt, Herr Wittstock sollte den einen, Yonathan den anderen Teil durch
Jerusalem führen. Zwar sollten wir die gleichen Sehenswürdigkeiten besichtigen,
aber in unterschiedlicher Reihenfolge um allzu großes Chaos zu vermeiden.
Der
erste Stopp, wobei das Wort eigentlich hier fehl am Platze ist, ist die Via
Dolorosa. Oder besser gesagt ihre erste Station. Die Via Dolorosa ist der Weg
den Jesus damals angeblich mit dem Kreuz gegangen ist. Sie besteht aus 14
Stationen die sich durch die Altstadt Jerusalems ziehen. An jeder der Stationen
hat sich ein bestimmtes, mehr oder weniger bedeutsames, Ereignis der Kreuzigung
zugetragen. Die Via Dolorosa endet in der Grabeskirche am Heiligen Grab. Aus
Zeitgründen besichtigten wir nicht jede Station ausführlich, aber unser Führer
weist uns immer mal wieder auf die römischen Nummern hin, die jede Station
kennzeichnen. Wir laufen durch die schmalen Gassen des Souks in Richtung
Grabeskirche, sie wird als Ort der Kreuzigung und Auferstehung Jesu angesehen.
Die Grabeskirche verdeutlicht das Chaos das religions- und somit oft auch
verwaltungstechnisch in Jerusalems Kirchen herrscht: stolze sechs christliche
Konfessionen sind an der Verwaltung der Grabeskirche beteiligt:
Griechisch-Orthodoxe, welche die Hauptverwaltung haben, die Römisch-Katholische
Kirche (wird durch den Franziskaner Orden vertreten), die Armenisch
Apostolische Kirche, die Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien, die Kopten und
die Äthiopisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche. Die widersprüchlichen Interessen
dieser Glaubensgruppen haben bis jetzt auch eine Renovierung der Kirche
erschwert, wenn nicht sogar fast unmöglich gemacht.
Es ist
beeindruckend zu sehen wie viele Gläubige sich in der Kirche tummeln, ewig in
der Schlange warten um die Stelle zu sehen an der angeblich das Kreuz stand,
oder um einmal in die vermutete Grabkammer von Jesus zu gehen. Im Anschluss an
die Grabeskirche haben wir die Gelegenheit uns etwas mehr mit dem muslimischen
Jerusalem zu beschäftigen. Unsere Guide führt uns wieder auf den Souq und gibt
uns eine Stunde Zeit diesen auf eigene Faust zu erkunden, warnt uns allerdings
uns nicht zu verlaufen. Das ist gar nicht so einfach, viele Gassen sehen sich
unglaublich ähnlich: in den meisten reihen sich Gewürz- an Stoff- und
Souvenirhändler. Aber es gibt auch Goldschmiede, T-Shirt Stände und Händler mit
Räucherwerk. Trotz des strömenden Regens und des kalten Winds genießen wir die
freie Zeit und stöbern an den Ständen nach Mitbringseln für zuhause. Als
Mittel gegen die Kälte probieren wir eine Art flüssigen Grießbrei mit Zimt und
Lavendelblüten. Es schmeckt zwar ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber auch sehr
lecker.
Nachdem
sich unsere Gruppe wieder zusammengefunden hat, gehen wir ins jüdische Viertel.
Es steht in einem starken Kontrast zu dem belebten Souk. Das liegt aber, so
versichert uns unser Tourguide, daran dass immer noch Schabbat ist. Während in Tel
Aviv nach Aussagen unserer israelischen Freunde das Leben noch weitergeht,
scheint es in Jerusalem wirklich und wahrhaftig innezuhalten. Die Straßen sind
wie ausgestorben, aus den Häusern dringen weder Musik noch laute Stimmen.
Yonathan
führt uns zu den Ausgrabungsstätten des antiken jüdischen Viertels. Ein
besonders vorsichtiges Vorgehen ist bei den Ausgrabungen notwendig, nicht nur
aus archäologischer Sicht, sondern besonders durch die Nähe zum Tempelberg. Die
Ausgrabungen liegen gute acht Meter unterhalb der Straße. Die Stelle die wir
uns anschauen zeigt die Reste einer römischen Straße die vermutlich zum Mark
führte, und einen Teil der alten Stadtmauer.
Die
Klagemauer besuchen wir nicht nochmal, sie stand gestern auf dem Programm.
Stattdessen führt uns Yonathan zu einem Aussichtspunkt ganz in der Nähe der
Ausgrabungen von dem aus wir fast die ganze Altstadt sehen können. Besonders
der goldene Dom bietet einen Kontrast zum leider immer noch sehr grauen Himmel.
Gestern haben wir genau auf der anderen Seite der Aussicht gestanden und
dorthin geblickt wo wir nun stehen. Direkt hinter uns steht eine riesige
goldene Menora unter einer Glaskuppel. Es ist geplant sie in den prophezeiten
dritten Tempel zu stellen. Yonathan meint dass sei zwar etwas optimistisch,
aber gut dass vorgesorgt sei. Besonders
passend zu der Aussicht die wir genießen ist ein Zitat des
Literaturnobelpreisträgers Shmuel Yosef Agnon der schreibt dass ein Mensch über
die Dächer von Jerusalem von einem Ende der Stadt zum anderen kommen kann.
Jerusalem ist eine Stadt die durch Häuser verbunden, aber durch Einwohner
getrennt wird.
Der
Aussichtspunkt ist der krönende Abschluss der Tour. Auch wenn wir traurig sind
die Altstadt von Jerusalem zu verlassen, werden wir bestimmt mit mehr Zeit (und
hoffentlich Sonne) wiederkommen.