Die Deutsche Botschaft befindet sich neben einigen anderen
Botschaften in einem Hochhaus mitten in Tel Aviv. Der Botschafter, Andreas
Michaelis, ist seit Sommer 2011 im Amt und hat sich schon in seinen früheren beruflichen
Positionen mit der Nahostthematik beschäftigt, u.a. als Nahost-Beauftragter der
Bundesregierung.
Zu Beginn ging Herr Michaelis auf den Arabischen Frühling
und seine Konsequenzen für Israel ein. Auf ägyptischer Seite seien frühere
verlässliche Gesprächspartner nicht mehr da, so dass die Beziehungen neu
gestaltet werden müssten, sagte der Botschafter. Wegen der unsicheren
Verhältnisse in Ägypten sei die Grenze zu Israel nicht mehr sicher, wie eine
terroristische Aktion und andere Zwischenfälle in den letzten Monaten zeigten. Deutschland und v.a. die USA sollten hier
Stabilisierungsaufgaben in Richtung Ägypten übernehmen. Wie sich die Lage
weiterentwickeln würde sei unklar, allerdings könne man davon ausgehen, dass sich
Beziehungen zwischen dem „neuen Ägypten“ und Israel schwieriger gestalten
würden, als bisher, so Michaelis.
Auch das Verhältnis zu Jordanien sei im Wandel begriffen: Im
Vergleich zu allen anderen arabischen Staaten arbeite Israel mit Jordanien eigentlich
relativ eng zusammen. Die politische Lage im Nachbarland beobachte Israel daher
mit besonderer Sorge. Falls König Abdullah II. weiterhin am Status quo festhalte,
drohe ihm das gleiche Schicksal wie den anderen arabischen Regimen auch. Der
Botschafter erklärte weiterhin, dass die Situation in Syrien absolut
unübersichtlich sei. Israel, so sagte er „hält sich dort weitgehend raus“. Da
die israelische Sicherheitsphilosophie auf Abschreckung basiere, die bei einem
asymmetrischen Gegner nicht funktioniere, lauerten hier neue Gefahren für
Israel. An der Grenze zum Libanon sei die
Lage „absurderweise“ bisher am stablisten. Denn Hisbollah warte erst mal ab,
was in Syrien passiert. Insgesamt könne man festhalten, dass Israel bisher noch
keine Antwort auf den Arabischen Frühling habe.
Michaelis ging auch auf den israelisch- palästinensischen
Konflikt ein. Ihm zufolge herrscht im Moment ein totaler Stillstand. Die Gefahr
dabei bestehe darin, dass es zu einer Eskalation in der Westbank komme. Eine 3.
Intifada sei im Moment eher nicht in Sicht, allerdings könnten folgende 3
Punkte diese auslösen: Im Falle einer Einigung zwischen Hamas und PLO, drohe
Israel mit der Einfrierung der Überweisung der Steuereinnahmen in die PA. Die
PLO drohe im Gegenzug mit der Einstellung der Sicherheitskooperation mit
Israel. Außerdem finde in Israel eine Radikalisierung der Siedler statt, was
sich in Angriffen auf Moscheen, Zivilisten und auch Frauen zeige.
In der israelischen Innenpolitik stünden die Zeichen auf
einer Wiederwahl Netanyahus, da dieser „die Opposition erfolgreich filetiert hat
und es keine personelle Alternative gibt“. Nach den Wahlen könne es allerdings zu
einer neuen Koalition mit einer der 3 größeren Oppositionsparteien (ohne die Ultras)
kommen, erläuterte Michaelis. Die überwiegende Mehrheit der Israelis
unterstütze den aktuellen politischen Kurs.
Ein weiteres Thema der Gesprächsrunde waren die Beziehungen zwischen
Deutschland und Israel, die, so der Botschafter, vor dem Hintergrund des
Holocaust einen besonderen Charakter hätten. Die deutsche Seite überzeuge mit sachorientierter
Arbeit, leiste materielle Unterstützung (z.B durch den Verkauf von U-Booten an
Israel) und helfe bei Verhandlungen, wie beispielsweise im Fall Gilat Shalit.
Im Alltag gebe es eine große Sympathie gegenüber den Deutschen. Allerdings fühle
sich die israelische Seite zunehmend international isoliert und auch in
Deutschland wachse das Unverständnis für israelische Politik. Zwar würden in der
Deutschen Botschaft viele Gespräche mit Abgeordneten des Bundestags und anderen
Entscheidungsträgern geführt, diese hätten jedoch kaum Einfluss auf die
Wahrnehmung des Konflikts in der breiten Öffentlichkeit in Deutschland. Vor allem
die Siedlungspolitik werde von vielen als illegitim betrachtet. Auch seitens
der EU, „die nach den USA Israels zweitwichtigster Partner ist, wird der Druck
erhöht, den Siedlungsausbau zu stoppen und Verhandlungen mit der
palästinensischen Seite aufzunehmen“, betonte Michaelis. Trotz dieser kritischen Stimmen sei die
Zusammenarbeit der EU mit Israel vor allem im Forschungsbereich sehr eng.
Israel habe Zugang zu Fördertöpfen des Forschungsrahmenprogramms der EU und erhalte
daraus jährlich etwa 300€ Mio. In der Deutschen Botschaft werden viele
Gespräche mit Abgeordneten des Bundestags geführt, diese haben jedoch kaum
Einfluss auf die Wahrnehmung des Konflikts in der breiten Öffentlichkeit in
Deutschland
Insgesamt, so teilte uns Herr Michaelis mit, sehe er für das
Jahr 2012 wenig Chancen, Fortschritte in den Israelisch-Palästinensischen
Verhandlungen zu erzielen, da diesen die US-Wahlen im Wege stehen.
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