Sonntag, 4. März 2012

Die Altstadt von Jerusalem

Die Tatsache, dass uns Jerusalem trotz strömendem Regen, Wind und ungastlichen 5 Grad in seinen Bann gezogen hat, spricht wohl für sich. Gedanklich noch immer mit Eindrücken aus Ramallah beschäftigt, kamen wir wieder in Jerusalem an. Da wir noch etwas freie Zeit zur Verfügung hatten bevor wir unseren Guide Jonathan treffen sollten, konnten wir in kleinen Gruppen vom Damaskustor aus in Souk gehen, uns treiben lassen, zu Mittag essen und einfach die Umgebung auf uns wirken lassen. Vom Schabbat, der noch in vollem Gange war, war hier nichts zu spüren. Überall standen und liefen Menschen herum, wurden Waren angepriesen, begutachtet und gehandelt, zwischendurch immer mal wieder die mittlerweile so vertraute Sicht von Soldaten mit Maschinengewehren.

Um 14.00 trudelten alle wieder wohlbehalten und gestärkt am Damaskustor ein. Die Gruppe wurde geteilt, Herr Wittstock sollte den einen, Yonathan den anderen Teil durch Jerusalem führen. Zwar sollten wir die gleichen Sehenswürdigkeiten besichtigen, aber in unterschiedlicher Reihenfolge um allzu großes Chaos zu vermeiden.

Der erste Stopp, wobei das Wort eigentlich hier fehl am Platze ist, ist die Via Dolorosa. Oder besser gesagt ihre erste Station. Die Via Dolorosa ist der Weg den Jesus damals angeblich mit dem Kreuz gegangen ist. Sie besteht aus 14 Stationen die sich durch die Altstadt Jerusalems ziehen. An jeder der Stationen hat sich ein bestimmtes, mehr oder weniger bedeutsames, Ereignis der Kreuzigung zugetragen. Die Via Dolorosa endet in der Grabeskirche am Heiligen Grab. Aus Zeitgründen besichtigten wir nicht jede Station ausführlich, aber unser Führer weist uns immer mal wieder auf die römischen Nummern hin, die jede Station kennzeichnen. Wir laufen durch die schmalen Gassen des Souks in Richtung Grabeskirche, sie wird als Ort der Kreuzigung und Auferstehung Jesu angesehen. Die Grabeskirche verdeutlicht das Chaos das religions- und somit oft auch verwaltungstechnisch in Jerusalems Kirchen herrscht: stolze sechs christliche Konfessionen sind an der Verwaltung der Grabeskirche beteiligt: Griechisch-Orthodoxe, welche die Hauptverwaltung haben, die Römisch-Katholische Kirche (wird durch den Franziskaner Orden vertreten), die Armenisch Apostolische Kirche, die Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien, die Kopten und die Äthiopisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche. Die widersprüchlichen Interessen dieser Glaubensgruppen haben bis jetzt auch eine Renovierung der Kirche erschwert, wenn nicht sogar fast unmöglich gemacht.

Es ist beeindruckend zu sehen wie viele Gläubige sich in der Kirche tummeln, ewig in der Schlange warten um die Stelle zu sehen an der angeblich das Kreuz stand, oder um einmal in die vermutete Grabkammer von Jesus zu gehen. Im Anschluss an die Grabeskirche haben wir die Gelegenheit uns etwas mehr mit dem muslimischen Jerusalem zu beschäftigen. Unsere Guide führt uns wieder auf den Souq und gibt uns eine Stunde Zeit diesen auf eigene Faust zu erkunden, warnt uns allerdings uns nicht zu verlaufen. Das ist gar nicht so einfach, viele Gassen sehen sich unglaublich ähnlich: in den meisten reihen sich Gewürz- an Stoff- und Souvenirhändler. Aber es gibt auch Goldschmiede, T-Shirt Stände und Händler mit Räucherwerk. Trotz des strömenden Regens und des kalten Winds genießen wir die freie Zeit und stöbern an den Ständen nach Mitbringseln für zuhause. Als Mittel gegen die Kälte probieren wir eine Art flüssigen Grießbrei mit Zimt und Lavendelblüten. Es schmeckt zwar ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber auch sehr lecker.

Nachdem sich unsere Gruppe wieder zusammengefunden hat, gehen wir ins jüdische Viertel. Es steht in einem starken Kontrast zu dem belebten Souk. Das liegt aber, so versichert uns unser Tourguide, daran dass immer noch Schabbat ist. Während in Tel Aviv nach Aussagen unserer israelischen Freunde das Leben noch weitergeht, scheint es in Jerusalem wirklich und wahrhaftig innezuhalten. Die Straßen sind wie ausgestorben, aus den Häusern dringen weder Musik noch laute Stimmen.
Yonathan führt uns zu den Ausgrabungsstätten des antiken jüdischen Viertels. Ein besonders vorsichtiges Vorgehen ist bei den Ausgrabungen notwendig, nicht nur aus archäologischer Sicht, sondern besonders durch die Nähe zum Tempelberg. Die Ausgrabungen liegen gute acht Meter unterhalb der Straße. Die Stelle die wir uns anschauen zeigt die Reste einer römischen Straße die vermutlich zum Mark führte, und einen Teil der alten Stadtmauer.

Die Klagemauer besuchen wir nicht nochmal, sie stand gestern auf dem Programm. Stattdessen führt uns Yonathan zu einem Aussichtspunkt ganz in der Nähe der Ausgrabungen von dem aus wir fast die ganze Altstadt sehen können. Besonders der goldene Dom bietet einen Kontrast zum leider immer noch sehr grauen Himmel. Gestern haben wir genau auf der anderen Seite der Aussicht gestanden und dorthin geblickt wo wir nun stehen. Direkt hinter uns steht eine riesige goldene Menora unter einer Glaskuppel. Es ist geplant sie in den prophezeiten dritten Tempel zu stellen. Yonathan meint dass sei zwar etwas optimistisch, aber gut dass vorgesorgt sei.  Besonders passend zu der Aussicht die wir genießen ist ein Zitat des Literaturnobelpreisträgers Shmuel Yosef Agnon der schreibt dass ein Mensch über die Dächer von Jerusalem von einem Ende der Stadt zum anderen kommen kann. Jerusalem ist eine Stadt die durch Häuser verbunden, aber durch Einwohner getrennt wird.

Der Aussichtspunkt ist der krönende Abschluss der Tour. Auch wenn wir traurig sind die Altstadt von Jerusalem zu verlassen, werden wir bestimmt mit mehr Zeit (und hoffentlich Sonne) wiederkommen.

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