Mittwoch, 29. Februar 2012

Zu Gast bei der Deutschen Botschaft in Tel Aviv


Die Deutsche Botschaft befindet sich neben einigen anderen Botschaften in einem Hochhaus mitten in Tel Aviv. Der Botschafter, Andreas Michaelis, ist seit Sommer 2011 im Amt und hat sich schon in seinen früheren beruflichen Positionen mit der Nahostthematik beschäftigt, u.a. als Nahost-Beauftragter der Bundesregierung.

Zu Beginn ging Herr Michaelis auf den Arabischen Frühling und seine Konsequenzen für Israel ein. Auf ägyptischer Seite seien frühere verlässliche Gesprächspartner nicht mehr da, so dass die Beziehungen neu gestaltet werden müssten, sagte der Botschafter. Wegen der unsicheren Verhältnisse in Ägypten sei die Grenze zu Israel nicht mehr sicher, wie eine terroristische Aktion und andere Zwischenfälle in den letzten Monaten zeigten.  Deutschland und v.a. die USA sollten hier Stabilisierungsaufgaben in Richtung Ägypten übernehmen. Wie sich die Lage weiterentwickeln würde sei unklar, allerdings könne man davon ausgehen, dass sich Beziehungen zwischen dem „neuen Ägypten“ und Israel schwieriger gestalten würden, als bisher, so Michaelis.

Auch das Verhältnis zu Jordanien sei im Wandel begriffen: Im Vergleich zu allen anderen arabischen Staaten arbeite Israel mit Jordanien eigentlich relativ eng zusammen. Die politische Lage im Nachbarland beobachte Israel daher mit besonderer Sorge. Falls König Abdullah II. weiterhin am Status quo festhalte, drohe ihm das gleiche Schicksal wie den anderen arabischen Regimen auch. Der Botschafter erklärte weiterhin, dass die Situation in Syrien absolut unübersichtlich sei. Israel, so sagte er „hält sich dort weitgehend raus“. Da die israelische Sicherheitsphilosophie auf Abschreckung basiere, die bei einem asymmetrischen Gegner nicht funktioniere, lauerten hier neue Gefahren für Israel.  An der Grenze zum Libanon sei die Lage „absurderweise“ bisher am stablisten. Denn Hisbollah warte erst mal ab, was in Syrien passiert. Insgesamt könne man festhalten, dass Israel bisher noch keine Antwort auf den Arabischen Frühling habe.

Michaelis ging auch auf den israelisch- palästinensischen Konflikt ein. Ihm zufolge herrscht im Moment ein totaler Stillstand. Die Gefahr dabei bestehe darin, dass es zu einer Eskalation in der Westbank komme. Eine 3. Intifada sei im Moment eher nicht in Sicht, allerdings könnten folgende 3 Punkte diese auslösen: Im Falle einer Einigung zwischen Hamas und PLO, drohe Israel mit der Einfrierung der Überweisung der Steuereinnahmen in die PA. Die PLO drohe im Gegenzug mit der Einstellung der Sicherheitskooperation mit Israel. Außerdem finde in Israel eine Radikalisierung der Siedler statt, was sich in Angriffen auf Moscheen, Zivilisten und auch Frauen zeige.

In der israelischen Innenpolitik stünden die Zeichen auf einer Wiederwahl Netanyahus, da dieser „die Opposition erfolgreich filetiert hat und es keine personelle Alternative gibt“. Nach den Wahlen könne es allerdings zu einer neuen Koalition mit einer der 3 größeren Oppositionsparteien (ohne die Ultras) kommen, erläuterte Michaelis. Die überwiegende Mehrheit der Israelis unterstütze den aktuellen politischen Kurs.

Ein weiteres Thema der Gesprächsrunde waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel, die, so der Botschafter, vor dem Hintergrund des Holocaust einen besonderen Charakter hätten. Die deutsche Seite überzeuge mit sachorientierter Arbeit, leiste materielle Unterstützung (z.B durch den Verkauf von U-Booten an Israel) und helfe bei Verhandlungen, wie beispielsweise im Fall Gilat Shalit. Im Alltag gebe es eine große Sympathie gegenüber den Deutschen. Allerdings fühle sich die israelische Seite zunehmend international isoliert und auch in Deutschland wachse das Unverständnis für israelische Politik. Zwar würden in der Deutschen Botschaft viele Gespräche mit Abgeordneten des Bundestags und anderen Entscheidungsträgern geführt, diese hätten jedoch kaum Einfluss auf die Wahrnehmung des Konflikts in der breiten Öffentlichkeit in Deutschland. Vor allem die Siedlungspolitik werde von vielen als illegitim betrachtet. Auch seitens der EU, „die nach den USA Israels zweitwichtigster Partner ist, wird der Druck erhöht, den Siedlungsausbau zu stoppen und Verhandlungen mit der palästinensischen Seite aufzunehmen“, betonte Michaelis.  Trotz dieser kritischen Stimmen sei die Zusammenarbeit der EU mit Israel vor allem im Forschungsbereich sehr eng. Israel habe Zugang zu Fördertöpfen des Forschungsrahmenprogramms der EU und erhalte daraus jährlich etwa 300€ Mio. In der Deutschen Botschaft werden viele Gespräche mit Abgeordneten des Bundestags geführt, diese haben jedoch kaum Einfluss auf die Wahrnehmung des Konflikts in der breiten Öffentlichkeit in Deutschland

Insgesamt, so teilte uns Herr Michaelis mit, sehe er für das Jahr 2012 wenig Chancen, Fortschritte in den Israelisch-Palästinensischen Verhandlungen zu erzielen, da diesen die US-Wahlen im Wege stehen.

Dienstag, 28. Februar 2012

Die Friedrich-Ebert-Stiftung in Israel

Am Dienstagnachmittag besuchte unsere Reisegruppe die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Herzliya, unweit von Tel Aviv. Dort unterhielten wir uns mit dem Bueroleiter Dr. Ralf Hexel ueber die Arbeit der FES in Israel und welche Rolle sie spielt in den Beziehungen zwischen der deutschen Sozialdemokratie und dem Staate Israel.

Die FES Israel beschaeftigt sich mit einem breiten Spektrum von Themen, vor allem mit der Nahost-Problematik, Sozialpolitik, Arbeitsmigration, Minderheitenbeteiligung, zivilgesellschaftlichen Engagement, den deutsch-israelischen Beziehungen und der Gleichberechtigung der Frauen. Ausfuehrlich berichtete uns Herr Dr. Hexel ueber die im letzten Sommer stattgefundenden sozialen Proteste in Israel, wo mehr als eine halbe Million Menschen auf die Strasse gingen um u.a. fuer bessere Wohnbedingungen und eine bessere Gesundheitsfuersorge einzutreten. So arbeitet die FES Israel mit Vertreter/innen der Protestbewegung zusammen, indem sie z.B. Bildungskurse zu Politik & Wirtschaft anbietet.

Weitere Themen, die in anschliessenden Fragerunde behandelt wurden, waren u.a. der Irankonflikt und die Veraenderung des Likud und der rechten Parteien Israel.

Montag, 27. Februar 2012

Gesprächsrunde im Büro der Heinrich-Böll Stiftung, Tel Aviv

Am 27.02.2012 war die Gruppe zu einer Gesprächsrunde im Büro der Heinrich-Böll Stiftung (HBS) in Israel eingeladen. Der Politikwissenschaftler Marc Berthold ist seit 2010 der Leiter des Bürosin Tel Aviv. Zuvor leitete er das Referat für Außen- und Sicherheitspolitik der Heinrich-Böll-Stiftung in der Berliner Zentrale (2008-2010). Von 2007-2008 war er als Berater für Klima- und Energiepolitik für Renate Künast tätig und von 2001 bis 2007 arbeitete er im Nordamerika-Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Washington DC als Programmleiter für "Environment and Global Dialogue".

Herr Berthold stellte zuerst kurz das Konzept der politischen Stiftungen vor, wobei er darauf hinwies, dass diese Organisationsform ein spezifisch deutsches Phönomen ist, dass auf die historischen Erfahrungen der Weimarer Republik zurückgeht. Danach ging er auf die Schwerpunkte der Stiftungsarbeit in Israel ein und schilderte die Probleme, mit denen sich die Stiftung vor Ort konfrontiert sieht. Als Stiftung steht die HBS  ideologisch der Partei Bündnis 90/ Die Grünen nah.  Über die bundesdeutschen Wurzeln hinaus versteht sie sich aber als Teil einer globalen politischen Grundströmung, die sich auf die Grundwerte der Ökologie und Nachhaltigkeit,  Demokratie und Menschenrechte, Selbstbestimmung und Gerechtigkeit beruft. Ein besonderer Arbeitsschwerpunkt der HBS ist die gesellschaftliche Emanzipation und die Gleichberechtigung von Frauen und Männern (Geschlechterdemokratie) sowie auch die Gleichberechtigung von Minderheiten. Die Stiftung arbeitet – sowohl in Deutschland, als auch im Ausland – im Bereich der Erwachsenenbildung und der Projektarbeit. Sie kann als eine Art Think-Tank verstanden werden, als „grüne Ideenagentur“ und internationales Politik-Netzwerk.

Die Stiftung arbeitet seit 1992 in Israel, 1998 wurde das Büro in Tel Aviv eröffnet. In dem Büro arbeiten heute insgesamt 6 Mitarbeiter_innen, von denen zwei aus Deutschland nach Israel entsendet worden sind – die Mehrheit bilden die Ortskräfte.  Die Arbeit der Stiftung findet stets vor dem komplexen historischen Hintergrund der deutsch-jüdischen und der deutsch-israelischen Beziehungen statt. Gleichzeitig spielen aber auch der Konflikt zwischen den Israelis und den Palästinensern und der zwischen Israel und den arabischen Staaten eine große Rolle. Um ihre Ziele zu erreichen, arbeitet die HBS mit verschiedenen israelischen Organisationen und Akteuren zusammen (NGOs akademische Institutionen, politischen Entscheidungsträger_innen und anderen Interessenvertreter_innen), die sie bei der Planung und Implementierung von Projekten unterstützt.  Die Stiftung organisiert Workshops und Konferenzen, finanziert Trainings- und Forschungsprogramme und hilft den Partner_innen dabei, sich zu vernetzen. Außerdem koordiniert sie Israelbesuche von deutschen Akteuren, wie beispielweise Abgeordneten der Partei Bündnis 90/ Die Grünen.

Vier Themenschwerpunkte bestimmen die Agenda der HBS in Israel:

(1)    Umweltgerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung. In Israel, so erklärte der Leiter der Stiftung, mangele es nach wie vor an einem breiten Umweltbewusstsein – sowohl auf Seiten der Bevölkerung, als auch der Mehrheit der Politikgestalter_innen. Zwar gebe es immer mehr Initiativen zum Umweltschutz und israelische Forscher_innen seien im Bereich der Entwicklung von Umwelttechnologien besonders innovativ, die wachsenden Umweltprobleme, vor allem im Bereich der Wasserverschmutzung, stellten aber eine besondere Herausforderung für das Land dar. Die Bevölkerungsteile, die sowieso schon benachteiligt seien, seien davon am stärksten betroffen. Herr Berthold erklärte, dass die Stiftung eng mit dem Dachverband der israelischen Umweltorganisationen zusammenarbeite, den sie bei der Arbeit unterstütze und fördere. Eine Aufgabe der HBS im Bereich der Ökologie sei es, die Implementierung von Plänen der Regierung zu Umweltreformen – wie beispielweise dem „Green Economy“ Plan (2011) zur Förderung umweltfreundlicher Entwicklung– zu evaluieren. Berthold betonte dabei aber, dass der Umstieg auf grüne, erneuerbare Technologien und Energiequellen „maßgeblich vom Frieden mit Jordanien und den anderen Nachbarländern Israels abhängt“. Hieran zeigt sich die Dimension und Tragweite der politischen Konflikte in der Region.

(2)    Ein weiterer Schwerpunkt der HBS ist die Förderung von Frauenrechten und der Geschlechterdemokratie. Ziel der Programme sei es die soziale, politische und rechtliche Situation von Frauen in der israelischen Gesellschaft nachhaltig zu verbessern und deren Möglichkeiten, sich an politischen Entscheidungsfindungsprozessen zu beteiligen, zu erweitern. Die Stiftung unterstütze dabei  verschiedene jüdische, arabisch-israelische und jüdisch-arabische Frauenorganisationen, die sich für die Rechte der Frauen einsetzen. So fördere die Stiftung beispielweise einen Zusammenschluss von Rechtsanwältinnen, die sich für die Umsetzung der Resolution 1325 (Resolution zur gleichberechtigten Beteiligung von Frauen an Friedensverhandlungen, Konfliktschlichtung und Wiederaufbau in bewaffneten Konflikten) in Israel einsetzen und helfe ihnen dabei, sich zu vernetzen. Als weiteres Beispiel für die Projektförderung im Bereich der Frauenrechte nannte Berthold die Zusammenarbeit mit der arabisch-israelischen Organisation „Kayan“. Gleichzeitig fördere die HBS Organisationen, die die Interessen von  LGBT-Gruppen (Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender) vertreten und habe, so Berthold, zum Beispiel die Öffnung eines Zentrums für Schwule und Lesben in Jerusalem unterstützt.  Die Realisierung der Geschlechterdemokratie „ist ein Aspekt, der in sämtlichen Projekten der Stiftung von zentraler Bedeutung ist“.

(3)    Die HBS engagiert sich auch im Bereich der Unterstützung der Zivilgesellschaft und
Demokratieförderung
. Die Zivilgesellschaft wird dabei als „Motor demokratischen Wandels“ betrachtet. Die Stiftung bemüht sich, die Rechte der unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen zu stärken und sie dabei zu unterstützen, Zugang zu Entscheidungsfindungsprozessen in Politik und Gesellschaft zu finden. Im Vordergrund steht dabei die Arbeit mit marginalisierten Gruppen, vor allem der arabisch-israelischen Minderheit in Israel sowie der Versuch, im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zu vermitteln, um einen fairen Kompromiss zu erreichen. 

(4)    Den vierten Themenschwerpunkt der HBS in Israel stellen die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sowie die Beziehungen zwischen der EU und Israel dar. In diesem Bereich organisiert die Stiftung eine Reihe von Aktivitäten im Bereich der politischen Bildungsarbeit. Hierzu zählen unter anderem Konferenzen und Treffen zwischen verschiedenen deutschen und israelischen Akteuren, wie beispielweise Schriftsteller_innen, Akademiker_innen, Journalist_innen und Studierenden. So soll einerseits der Dialog zwischen den Ländern gefördert werden, andererseits sollen kritische Debatten in der jeweiligen Öffentlichkeit angeregt werden. Auch werden die Förderung des interkulturelles Verständnisses und der Zusammenarbeit zwischen den Ländern angestrebt. Die Beschäftigung mit und Aufarbeitung von der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden spielt in diesem Arbeitsbereich der Stiftung eine ganz besondere Rolle.

In der anschließenden Diskussionsrunde stand besonders eine Frage im Vordergrund: Die Frage nach der Legitimation der Stiftungsarbeit im Ausland. Mehrere der Studierenden wollten wissen, wie die Stiftung ihre Einmischung in die politischen Angelegenheiten des Staates Israel legitimiert. Herr Berthold machte deutlich, dass „die Arbeit der HBS von der israelischen Regierung akzeptiert wird und es ein Abkommen zwischen Deutschland und Israel gibt, in dem die Rahmenbedingungen der Arbeit festgesetzt sind“.  Die Auslandsarbeit der deutschen politischen Stiftungen könne allgemein als eine Form der Entwicklungszusammenarbeit verstanden werden, die HBS arbeite dabei getreu ihrer grünen Leitlinien. Ihre liberal-demokratischen Werte würde die Stiftung ganz bewusst auch im Ausland vertreten – man versuche dabei aber mit Kritiker_innen in den Dialog zu treten und sich mit deren Kritik konkret auseinanderzusetzen. Hinzu komme, dass die Stiftung nicht gezielt auf Organisationen zugehe und so versuche, ihre Agenda durchzusetzen. Anfragen nach Unterstützung „werden in der Regel von den Organisationen selbst an die Stiftung herangetragen“. Auf die Frage hin, ob die HBS auch mit Organisationen wie Hamas und Hisbollah zusammenarbeite, erklärte Berthold, dass extremistische Gruppen von der Stiftung grundsätzlich nicht unterstützt würden. Gleichzeitig hätten  Veränderungen der politischen Machtverhältnissen – Berthold wies hier auf den Wahlsieg der Hamas in  Gaza hin – immer auch einen großen Einfluss auf die Stiftungsarbeit vor Ort. Dessen müsse man sich bewusst sein, wenn man von solchen Gruppen spreche, deren Status neu definiert werden müsse, wenn sie bei demokratischen Wahlen an die Macht kämen. 

Gefragt wurde auch nach dem Verhältnis der verschiedenen deutschen Stiftungen zueinander. Herr Berthold machte deutlich, dass die Stiftungen in der Regel unabhängig voneinander agieren, was so sagte er, sich „schon durch die sehr unterschiedliche Themensetzung erklären lässt“. Doch in wichtigen Fragen, käme es durchaus zur Kooperation. Als Beispiel nannte er die jüngsten Versuche der israelischen Regierung durch Gesetze die Unabhängigkeit und den Aktionsspielraum von Nichtregierungsorganisationen – und somit auch der Stiftungen – erheblich einzuschränken. In Reaktion auf diese Vorhaben formulierten die Stiftungen gemeinschaftlich einen Brief an die Knesset, in dem sie die Gesetzesvorschläge stark kritisierten und an die demokratische Moral der Regierung appellierten. An dieser Stelle wies Berthold auf ein Dilemma der israelischen Demokratie hin: Solche Versuche, die Arbeit zivilgesellschaftlicher Akteure zu beschneiden, seien aus undemokratischen Kontexten wie jüngst Ägypten oder auch Russland bekannt. Dass auch in einem Land wie Israel, das sich in seinem Selbstverständnis als demokratischen Staat definiere, solche Einschränkungen in Betracht gezogen würden, werfe Fragen nach dem Zustand der Demokratie auf.

Am Ende wurde Herr Berthold gebeten, kurz seine Einschätzung des politischen Diskurses in Israel zu wiederzugeben: Welche Themen sind gerade relevant? Welche Fragen bewegen die Menschen in Israel? Das Atomprogramm des Iran sei momentan das Hauptthema, um das die öffentliche Debatte sich drehe. Die israelische Regierung ziehe die militärische Option ernsthaft in Betracht und selbst viele Israelis, meinte Berthold, „werden nervös und unruhig“. Das sein ein schlechtes Zeichen . Auch die Veränderungen infolge des arabischen Frühlings in den Nachbarländern Israels würden in der Gesellschaft kritisch diskutiert. Letztlich hegten einige die Befürchtung, eine 3. Intifada bahne sich an.

Die Stadt Tel Aviv lädt zur "Creative Energy Tour"


Am Nachmittag des 28. Februars lud die Stadt Tel Aviv zur „Creative Energy Tour“. Hierbei handelt es sich um ein dreiteiliges Konzept, bestehend aus dem Besuch bei einem Start-Up Unternehmen, einem Vortrag zu Tel Aviv als „Global City“ und dem Kulturzentrum Mazeh Tescha.

Camopus Ville:
Zuerst trafen wir uns mit in dem Gründer von Campus Ville in der „ Library Tel Aviv“. Die „Library“ bietet Jungunternehmern die Möglichkeit gemeinsam in einem Großraumbüro im Herzen Tel Avivs ihre eigenen Ideen auszuarbeiten. Durch die zentrale Lage in der Stadtbücherei Tel Avivs, die Unterstützung durch die Stadt Tel Aviv und das Zusammentreffen vieler Entrepreneurs an diesem Ort herrschen optimale Bedingungen für Ausarbeitung der eigenen Start-Up Idee.
Oron Afek der Gründer von campusville.com stellte hier sein Konzept vor. Campusville bietet eine Verknüpfung zwischen Facebook und Universitätsinternen Netzwerken. Studenten haben so die Möglichkeit sich auf effiziente Art und Weise eine Brücke zwischen Freizeit und Universität zu schlagen. Das besondere daran ist allerdings vor allem die Tatsache das Campusville die Möglichkeit bietet das eigene Profil mit Stellenausschreibungen in Verbindung zu bringen und so bei der Suche nach einem Arbeitsplatz nach Universitätsabschluss zu helfen.

Tel Aviv Global City:
Tel Aviv – Global City ist eine auf zehn Jahre angelgte Initiative Israels und der Stadt Tel Aviv die zielgerichtet darauf hinarbeitet der Stadt Tel Aviv ein globales Image zu verordnen und so ihren internationalen Stellenwert zu erhöhen. Im Fokus stehen sowohl die wirtschaftlichen, als auch die kulturellen Aspekte Tel Avivs.
Tel Aviv soll als einzigartige Stadt positioniert werden, gleichzeitig soll nicht nur das Zentrum sondern die Metropolregion Tel Aviv vermarktet werden. Um dies zu erreichen wird versucht das Projekt fest in der Tel Aviver Bevölkerung zu verankern. Anschließend soll nicht nur Tel Aviv sondern ganz Israel von Errungenschaften der Kampagne profitieren. Teil der Bemühungen ist es 2012 zum „Year of Art“ zu ernennen.

Mazeh Tescha:
Ist ein kulturelles Zentrum mitten in Tel Aviv. Benannt ist es nach der Straße in der es angesiedelt ist. Das besondere an seinem Namen liegt in der hebräischen Bedeutung, die in etwa mit „Was ist das?“ zu übersetzen ist.
Mazeh Tescha bietet nicht nur Raum für Ausstellungen oder Vorträge. Vielmehr steht die Entstehung der Kunst im Mittelpunkt. Um diesem Anspruch gerecht zu werden bietet Mazeh Tescha jungen Künstlern Raum um zu arbeiten und vor allem um auch dort zu leben.




Der iranisch-israelische Konflikt 2/2 - Vortrag von Eitan Ben Elyahu

Nachdem wir letzte Woche bereits einen Vorschlag zur Lösung des aktuellen Konfliktes mit dem Iran behandelt haben, war heute ein pensionierter Generalmajor und ehemaliger Kommandeur der israelischen Luftstreitkräfte Eitan Ben Elyahu für einen Vortrag zu Gast, um uns die militärische Position in dieser Konfrontation einerseits und seine ganze eigene Wahrnehmung der Situation andererseits vorzustellen. Im Gegensatz zu Professor Menashris ist er der Auffassung, dass wirtschaftliche Sanktionen alleine nicht ausreichen. Er ist der Meinung, dass ein weiteres Beharren nur auf diesen Sanktionen zur Folge hätte, dass der Iran weiter an der Atombombe bauen könne. Und das, so machte er deutlich, müsse unbedingt verhindert werden.

Im Gegensatz zu früheren Bedrohungen durch atomare Aufrüstung in der Region (im Irak und in Syrien) besitze das iranische Atomprogramm eine vielfältigere Infrastruktur, eigene Uranmienen und viele in das Projekt involvierte Wissenschaftler, welche sich mit dem Atomprogramm beschäftigen. Dadurch sei es für das israelische Militär nicht möglich, das Programm durch gezielte Kommandomissionen oder Luftschläge zu bekämpfen, wie dies in Syrien und im Irak in der Vergangenheit der Fall gewesen sei. Es benötige eine längere Phase von Luftangriffen, um die vor allem unterirdisch gelegenen Anlagen zu zerstören. Selbst wenn dies technisch möglich wäre, so seien die Erfolgsaussichten auf einen schnellen Erfolg sehr gering und Israel bräuchte langfristige internationale Unterstützung. Vor diesem Hintergrund fordert Eitan Ben Elyahu, dass eine Drohkulisse aus einer Kombination aus Militär und wirtschaftlichen Sanktionen durch mindestens zwei bis drei Akteure gegenüber dem Iran aufgebaut werde, um das Regime im Iran durch gleichzeitige diplomatische Kontaktaufnahme zu Zugeständnissen zu bringen. Dies könne nur durch mehrere Verbündete geschehen, denn sollte die Drohung nicht stark genug sein, um den Iran entweder direkt oder nach einigen Militärschlägen zu Zugeständnissen zu bringen, werde das Regime gestärkt durch diesen Konflikt hervorgehen. Eine Drohkulisse könnte durch eine Seeblockade und die Positionierung von Streitkräften geschehen. Hierbei sollte man jedoch, ähnlich wie in der Kuba-Krise, direkt diplomatische Verbindungen aufnehmen, um durch dieses Drohpotential zu Verhandlungen zu kommen. 
Dieser militärische Vorschlag ist, aus meiner Sicht, für die israelische Führungselite eher gemäßigt und bezeichnend für ehemalige und ältere Militärs in Israel. Die aktuelle Führungselite dagegen scheint, entweder aus diplomatischen-rhetorischen Gründen (als Abschreckung gegenüber dem Iran, innenpolitischer Profilierung oder um zu testen, ob die USA dazu bereit sind diesen Kurs zu unterstützen) oder aus der eigenen Überzeugung, direkte militärische Operationen zu bevorzugen. Mir scheint auch, dass die Mehrheit der israelischen Bevölkerung dem nicht abgeneigt ist. Hiergegen wirkt der Vorschlag einer Drohkulisse besser, berücksichtigt allerdings auch nicht, inwieweit eine solche einen Einfluss auf den Konflikt der arabischen Länder mit Israel hat und inwieweit er das Regime im Iran in der Unterdrückung seiner eigenen Bevölkerung stärkt. Außerdem haben solche Drohkulissen nicht selten zu Kriegen geführt, die eigentlich kein Beteiligter wollte (beispielsweise der erste Weltkrieg) und gerade potentielle militärische Partner müssen sich die Frage stellen, ob sie ein solches Risiko eines Kriegsausbruches mit dem Iran eingehen wollen.


Der Kibbuz Merom Golan

Heute steht ein Besuch im Kibbuz Meran Golan auf dem Programm. Es ist nicht nur einer der wenigen Kibbuzim der heute noch offen ist, sondern auch der erste der nach dem Sechstagekrieg 1967 auf den von Israel besetzten Golanhöhen gegründet wurde.

Die Kibbuzbewegung hat eine große Bedeutung für die Geschichte des Staates Israels. Sie hatte einen wesentlichen Anteil am Aufbau Israels und brachte eine beträchtliche Anzahl von Soldaten, Politikern und Arbeiterführern der neuen Nation hervor. Getragen wurde die Kibbuzbewegung vom zionistisch-sozialistischen Gedanken einer klassenlosen israelischen Gesellschaft. Die Merkmale eines Kibbuz waren vor allem die basisdemokratische Struktur, der starke Gemeinschaftssinn und die Gleichheit aller Kibbuzmitglieder untereinander. Für uns war es besonders interessant zu erfahren, ob dieses heute noch so gelebt wird.

Im Kibbuz Melan Golan trafen wir den Künstler Joop de Jong, der aus den Niederlanden stammt und 1973 nach Israel kam. Bekannt ist er vor allem aufgrund seiner aus Metall gefertigten Skulpturen, die sich unter anderem mit den Themen Rassismus, Krieg und dem friedlichen Zusammenleben der Menschen in Israel auseinandersetzen. Auf einem Rundgang durch den Kibbuz erzählte uns de Jong von der Gründung des Kibbuz, der Privatisierung die 2003 viele Veränderungen hervorrief und von seiner Arbeit als Künstler. Viele der Kibbuzmitglieder arbeiten heute außerhalb und erwerben sich die Rechte in der Gemeinschaft (vor allem die kollektive Krankenversicherung und Altersvorsorge), in dem sie einen Teil ihres Gehaltes in die Gemeinschaftskasse abliefern. Eine weitere Einnahmequelle liefert der Tourismus. Zum Beispiel ist es möglich Ferienhäuser im Kibbuz zu mieten. Aufgrund der Privatisierung hat auch der Kibbuz Melan Goran heute wieder steigende Mitgliederzahlen und eine gute Ausgangslage um die Krise des Kibbuzim zu bestehen.