Mittwoch, 29. Februar 2012

Zu Gast bei der Deutschen Botschaft in Tel Aviv


Die Deutsche Botschaft befindet sich neben einigen anderen Botschaften in einem Hochhaus mitten in Tel Aviv. Der Botschafter, Andreas Michaelis, ist seit Sommer 2011 im Amt und hat sich schon in seinen früheren beruflichen Positionen mit der Nahostthematik beschäftigt, u.a. als Nahost-Beauftragter der Bundesregierung.

Zu Beginn ging Herr Michaelis auf den Arabischen Frühling und seine Konsequenzen für Israel ein. Auf ägyptischer Seite seien frühere verlässliche Gesprächspartner nicht mehr da, so dass die Beziehungen neu gestaltet werden müssten, sagte der Botschafter. Wegen der unsicheren Verhältnisse in Ägypten sei die Grenze zu Israel nicht mehr sicher, wie eine terroristische Aktion und andere Zwischenfälle in den letzten Monaten zeigten.  Deutschland und v.a. die USA sollten hier Stabilisierungsaufgaben in Richtung Ägypten übernehmen. Wie sich die Lage weiterentwickeln würde sei unklar, allerdings könne man davon ausgehen, dass sich Beziehungen zwischen dem „neuen Ägypten“ und Israel schwieriger gestalten würden, als bisher, so Michaelis.

Auch das Verhältnis zu Jordanien sei im Wandel begriffen: Im Vergleich zu allen anderen arabischen Staaten arbeite Israel mit Jordanien eigentlich relativ eng zusammen. Die politische Lage im Nachbarland beobachte Israel daher mit besonderer Sorge. Falls König Abdullah II. weiterhin am Status quo festhalte, drohe ihm das gleiche Schicksal wie den anderen arabischen Regimen auch. Der Botschafter erklärte weiterhin, dass die Situation in Syrien absolut unübersichtlich sei. Israel, so sagte er „hält sich dort weitgehend raus“. Da die israelische Sicherheitsphilosophie auf Abschreckung basiere, die bei einem asymmetrischen Gegner nicht funktioniere, lauerten hier neue Gefahren für Israel.  An der Grenze zum Libanon sei die Lage „absurderweise“ bisher am stablisten. Denn Hisbollah warte erst mal ab, was in Syrien passiert. Insgesamt könne man festhalten, dass Israel bisher noch keine Antwort auf den Arabischen Frühling habe.

Michaelis ging auch auf den israelisch- palästinensischen Konflikt ein. Ihm zufolge herrscht im Moment ein totaler Stillstand. Die Gefahr dabei bestehe darin, dass es zu einer Eskalation in der Westbank komme. Eine 3. Intifada sei im Moment eher nicht in Sicht, allerdings könnten folgende 3 Punkte diese auslösen: Im Falle einer Einigung zwischen Hamas und PLO, drohe Israel mit der Einfrierung der Überweisung der Steuereinnahmen in die PA. Die PLO drohe im Gegenzug mit der Einstellung der Sicherheitskooperation mit Israel. Außerdem finde in Israel eine Radikalisierung der Siedler statt, was sich in Angriffen auf Moscheen, Zivilisten und auch Frauen zeige.

In der israelischen Innenpolitik stünden die Zeichen auf einer Wiederwahl Netanyahus, da dieser „die Opposition erfolgreich filetiert hat und es keine personelle Alternative gibt“. Nach den Wahlen könne es allerdings zu einer neuen Koalition mit einer der 3 größeren Oppositionsparteien (ohne die Ultras) kommen, erläuterte Michaelis. Die überwiegende Mehrheit der Israelis unterstütze den aktuellen politischen Kurs.

Ein weiteres Thema der Gesprächsrunde waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel, die, so der Botschafter, vor dem Hintergrund des Holocaust einen besonderen Charakter hätten. Die deutsche Seite überzeuge mit sachorientierter Arbeit, leiste materielle Unterstützung (z.B durch den Verkauf von U-Booten an Israel) und helfe bei Verhandlungen, wie beispielsweise im Fall Gilat Shalit. Im Alltag gebe es eine große Sympathie gegenüber den Deutschen. Allerdings fühle sich die israelische Seite zunehmend international isoliert und auch in Deutschland wachse das Unverständnis für israelische Politik. Zwar würden in der Deutschen Botschaft viele Gespräche mit Abgeordneten des Bundestags und anderen Entscheidungsträgern geführt, diese hätten jedoch kaum Einfluss auf die Wahrnehmung des Konflikts in der breiten Öffentlichkeit in Deutschland. Vor allem die Siedlungspolitik werde von vielen als illegitim betrachtet. Auch seitens der EU, „die nach den USA Israels zweitwichtigster Partner ist, wird der Druck erhöht, den Siedlungsausbau zu stoppen und Verhandlungen mit der palästinensischen Seite aufzunehmen“, betonte Michaelis.  Trotz dieser kritischen Stimmen sei die Zusammenarbeit der EU mit Israel vor allem im Forschungsbereich sehr eng. Israel habe Zugang zu Fördertöpfen des Forschungsrahmenprogramms der EU und erhalte daraus jährlich etwa 300€ Mio. In der Deutschen Botschaft werden viele Gespräche mit Abgeordneten des Bundestags geführt, diese haben jedoch kaum Einfluss auf die Wahrnehmung des Konflikts in der breiten Öffentlichkeit in Deutschland

Insgesamt, so teilte uns Herr Michaelis mit, sehe er für das Jahr 2012 wenig Chancen, Fortschritte in den Israelisch-Palästinensischen Verhandlungen zu erzielen, da diesen die US-Wahlen im Wege stehen.

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